Mit einem Tabu werden Themenbereiche belegt, die sich im öffentlichen Raum einer Gesellschaft dem (sprachlichen) Zugriff aus moralischen, religiösen oder konventionellen Gründen entziehen. Tabubrüche werden daher als ein Angriff auf die Identität des Einzelnen oder seiner Gesellschaft wahrgenommen: Derjenige, der Tabubrüche begeht, respektiert die Privatsphäre des Individuums bzw. die Regeln des öffentlichen Raumes nicht und muss Sanktionen unterschiedlicher Art erfahren. Wegen ihrer stabilisierenden Funktion für die Identität einer Gesellschaft stellen Tabus sensible Problembereiche innerhalb der interkulturellen Kommunikation dar, denn die Gefahr unbeabsichtigt Tabubrüche zu vollziehen, ist immer dann besonders groß, wenn Menschen unterschiedlicher Kulturen gemeinsam handeln sollen. Man denke dabei an Verhandlungen in Wirtschaft und Politik oder an den Aufbau von Firmenniederlassungen im Ausland, aber auch an die Integrationsarbeit mit Ausländern, an multikulturelle Gemeindearbeit sowie multinationale Kindergärten und Schulen. Der moderne Fremdsprachenunterricht, der auch die interkulturelle Kompetenz fördern will, muss sich der Thematik annehmen. Geht es doch darum Kulturvermittler auszubilden, die der Internationalisierung der Arbeitswelt gewachsen sind und beruflich beispielsweise in Wirtschaft und Politik beratende Funktionen übernehmen oder als Dolmetscher sowie als Kulturberater im Krankenhaus, bei Gericht oder in der Familienberatung tätig sein können. So bedeutsam das Thema Tabu für die Entwicklung der interkulturellen Kompetenz ist, so schwierig ist seine Behandlung im Unterricht, voll allem deshalb, weil es sich dem bewussten Zugriff entzieht. Soll das, was der öffentliche Raum einer fremden Kultur ausschließt, nicht lediglich durch oberflächliche Verhaltensregeln in Form einer To-do-Liste oder besser Not-to-do-Liste vermittelt, sondern im Rahmen eines Sensibilisierungsprozesses erarbeitet werden, so bedarf es der Annäherung und des Dialogs mit den anderen. Doch genau dies kann im Falle von Tabus nur rudimentär stattfinden. Die Vertreter der Fremdkultur müssten Themen ansprechen, über die sie eigentlich nicht reden, und Verhaltensweisen beschreiben, die in ihnen unangenehme Gefühle erregen. Dies gilt nicht zuletzt auch für uns selbst, die wir unsere eigenen Hürden diesbezüglich überwinden müssen. Der Umgang mit den „heiklen Themen“ stellt daher ganz besondere Anforderungen an den Einzelnen. Diese wollen wir in unserem Vortrag an einigen Beispielen aus dem deutsch-italienischen Kontext darlegen, um dann exemplarisch zu zeigen, wie im Fremdsprachen- und Kulturunterricht Sensibilitäten gefördert werden können, die es den angehenden Kulturvermittlern erlauben, auf angemessene Weise mit den Tabus der anderen umzugehen. Um einen besseren Praxistransfer zu erreichen, werden den Zuhörern Übungen vorgestellt, die sie selbst ausprobieren, diskutieren und analysieren können.

Tabu und Identität. Wie man das vermittelt, worüber die anderen schweigen

KAUNZNER, Ulrike Adelheid;
2009

Abstract

Mit einem Tabu werden Themenbereiche belegt, die sich im öffentlichen Raum einer Gesellschaft dem (sprachlichen) Zugriff aus moralischen, religiösen oder konventionellen Gründen entziehen. Tabubrüche werden daher als ein Angriff auf die Identität des Einzelnen oder seiner Gesellschaft wahrgenommen: Derjenige, der Tabubrüche begeht, respektiert die Privatsphäre des Individuums bzw. die Regeln des öffentlichen Raumes nicht und muss Sanktionen unterschiedlicher Art erfahren. Wegen ihrer stabilisierenden Funktion für die Identität einer Gesellschaft stellen Tabus sensible Problembereiche innerhalb der interkulturellen Kommunikation dar, denn die Gefahr unbeabsichtigt Tabubrüche zu vollziehen, ist immer dann besonders groß, wenn Menschen unterschiedlicher Kulturen gemeinsam handeln sollen. Man denke dabei an Verhandlungen in Wirtschaft und Politik oder an den Aufbau von Firmenniederlassungen im Ausland, aber auch an die Integrationsarbeit mit Ausländern, an multikulturelle Gemeindearbeit sowie multinationale Kindergärten und Schulen. Der moderne Fremdsprachenunterricht, der auch die interkulturelle Kompetenz fördern will, muss sich der Thematik annehmen. Geht es doch darum Kulturvermittler auszubilden, die der Internationalisierung der Arbeitswelt gewachsen sind und beruflich beispielsweise in Wirtschaft und Politik beratende Funktionen übernehmen oder als Dolmetscher sowie als Kulturberater im Krankenhaus, bei Gericht oder in der Familienberatung tätig sein können. So bedeutsam das Thema Tabu für die Entwicklung der interkulturellen Kompetenz ist, so schwierig ist seine Behandlung im Unterricht, voll allem deshalb, weil es sich dem bewussten Zugriff entzieht. Soll das, was der öffentliche Raum einer fremden Kultur ausschließt, nicht lediglich durch oberflächliche Verhaltensregeln in Form einer To-do-Liste oder besser Not-to-do-Liste vermittelt, sondern im Rahmen eines Sensibilisierungsprozesses erarbeitet werden, so bedarf es der Annäherung und des Dialogs mit den anderen. Doch genau dies kann im Falle von Tabus nur rudimentär stattfinden. Die Vertreter der Fremdkultur müssten Themen ansprechen, über die sie eigentlich nicht reden, und Verhaltensweisen beschreiben, die in ihnen unangenehme Gefühle erregen. Dies gilt nicht zuletzt auch für uns selbst, die wir unsere eigenen Hürden diesbezüglich überwinden müssen. Der Umgang mit den „heiklen Themen“ stellt daher ganz besondere Anforderungen an den Einzelnen. Diese wollen wir in unserem Vortrag an einigen Beispielen aus dem deutsch-italienischen Kontext darlegen, um dann exemplarisch zu zeigen, wie im Fremdsprachen- und Kulturunterricht Sensibilitäten gefördert werden können, die es den angehenden Kulturvermittlern erlauben, auf angemessene Weise mit den Tabus der anderen umzugehen. Um einen besseren Praxistransfer zu erreichen, werden den Zuhörern Übungen vorgestellt, die sie selbst ausprobieren, diskutieren und analysieren können.
2009
9783631592236
comunicazione interculturale; tabu; identità; interkulturelle Kommunikation; Identität
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